Heute beginnt die Würzburger Woche gegen Rassismus. Zu diesem Anlass habe ich ein paar Bücher zusammengestellt, die mir persönlich auf meinem Weg zur Antirassistin weitergeholfen haben. Ob Jugendbücher, Biografien oder Sachbücher – es gibt so viele Bücher, aus denen wir lernen können. Es ist ein Lernprozess, der nie abgeschlossen sein wird, aber das Wichtigste ist, damit anzufangen. Jeder kleine Schritt zum Antirassismus zählt.
Exit Racism
Dieses Buch ist der perfekte Startpunkt, wenn man sich noch nicht so wirklich mit den Themen Rassismus und Antirassismus beschäftigt hat. Tupoka Ogette bietet einen sanften Einstieg in das Thema, mit einer Erklärung dafür, warum wir weißen Menschen Teil der Lösung sein müssen. Die Kapitel sind kurz und verständlich geschrieben, was bei diesem schwierigen Thema nicht allen Autor:innen gelingt. Sie führt in die Grundlagen und die Geschichte des Rassismus ein, erklärt wichtige Begriffe und regt immer wieder an, sich selbst und den eigenen (unbewussten) Rassismus zu hinterfragen. Dazu kommen Links zu Websites und weiterführenden Ressourcen. Dieses Buch würde ich wirklich jedem weißen Menschen empfehlen.
Dear Martin
Justyce ist ein Vorzeigeschüler, freundlich und hilfsbereit und hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, aber das interessiert die Polizisten nicht, die ihn während einer Polizeikontrolle grundlos verhaften. Denn Justyce ist Schwarz. Er beginnt, eine Tagebuch zu schreiben mit Briefen an Martin Luther King, um einen Weg zu finden, friedlich mit dem alltäglichen Rassismus umzugehen, dem er ständig ausgesetzt ist. Doch als er mit seinem besten Freund einem rassistischen Polizisten begegnet und die Situation eskaliert, ist er nicht mehr sicher, ob Briefe an sein Idol noch reichen, um seine Wut und Verzweiflung im Zaum zu halten.
Dieser Roman ist aktueller denn je, denn er spiegelt die Lebenswirklichkeit von Schwarzen in den USA wieder und zeigt eine der schlimmsten Seiten des Rassismus. Ich kann mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie schrecklich es sein muss, bei einer Polizeikontrolle Angst um sein Leben haben zu müssen. Zu sehen, wie Justyce nach und nach unter dem Rassismus und der Ungerechtigkeit zerbricht, obwohl er so fest entschlossen ist, Martin Luther Kings Vorbild von friedlichem Widerstand zu folgen, ist wirklich herzzerreißend. Gerade weil es leider keine unrealistischen Szenarien sind. Ein Buch, das wütend macht und zum Nachdenken anregt.
Stamped – Rassismus und Antirassismus in den USA
„Stamped“ ist eine Bearbeitung von Ibram X. Kendis Buch „Gebrandmarkt“ für Jugendliche. Nachdem mich der Umfang des Originals etwas eingeschüchtert hat, habe ich diese Version gelesen und Jason Reynolds gelingt es tatsächlich, dieses ernste Thema flüssig und verständlich zu erzählen. Es ist ein Überblick über die Geschichte von Sklaverei und Unterdrückung und den Rassismus, der als Rechtfertigung für all das Unrecht verwendet wurde. Hier geht es weniger um die persönliche Entwicklung, sondern um die Geschichte und den Hintergrund von Rassismus. Und um die Menschen, die dagegen ankämpften. Sich an sie zu erinnern ist ebenfalls ein wichtiger Teil des Antirassismus.
Legendborn
Nachdem Brees Mutter bei einem Unfall gestorben ist, zieht sie in ein Internat, wo sie hofft, einen Neuanfang zu bekommen und die Trauer um ihre Mutter verarbeiten zu können. Als sie in der ersten Nacht den Angriff eines Monsters auf einen Schüler sieht – und einen Magier, der ihn abwehrt – zweifelt sie an ihren Sinnen. Bis sie herausfindet, dass die Monster real sind und es einen Geheimbund gibt, der sie bekämpft: Die Nachfahren von König Artus und den Rittern der Tafelrunde. Und plötzlich muss sich Bree nicht nur den Gefahren einer Welt voller Magie und dem alltäglichen Rassismus stellen, sondern auch den Geheimnissen ihrer Mutter. Nach und nach erfährt sie mehr über das Erbe ihrer Familie und muss schließlich alles infrage stellen, was sie zu wissen glaubte.
Legendborn ist ein Urban-Fantasy-Roman über die Artussage, aber es ist auch so viel mehr als das. Es ist eine Geschichte über Trauer, Verlust, intergenerationales Trauma und den alltäglichen Rassismus, dem Bree ständig ausgesetzt ist. Ihre Perspektive hat mir eindrücklich vor Augen geführt, in wie vielen Situationen ich privilegiert bin, weil ich nicht über Rassismus nachdenken muss, während Bree ihn immer im Hinterkopf hat, immer wachsam und auf der Hut vor dem nächsten kleinen Angriff sein muss.
Ich kenne weniger Bücher, aus denen ich so viel gelernt und die mich gleichzeitig so gut unterhalten haben. Zwei Absätze reichen bei weitem nicht aus, um meine Liebe für dieses Buch in Worte zu fassen, deshalb habe ich ihm während meiner Zeit in der Stadtbibliothek Erlangen einen ganzen Blogartikel gewidmet. Lest doch mal rein.
Gib mir mal die Hautfarbe
“Mit Kindern über Rassismus sprechen” ist der Untertitel dieses Buchs, trotzdem ist es nicht nur für Eltern relevant. Es deckt einen großen Bereich an Fragen ab: Warum sind manche Wörter rassistisch und welche kann ich stattdessen verwenden? Wie hängen Kolonialismus und Rassismus zusammen? Was bedeutet es, weiß zu sein? Woher lernen Kinder eigentlich Rassismus und wie können wir antirassistisch dagegenhalten? Warum ist Vielfalt bei Kinderbüchern und Spielzeug so wichtig?
Diese und viele andere Fragen werden in “Gib mir mal die Hautfarbe” beantwortet. Dazu kommen Begriffserklärungen, Erfahrungsberichte und Übungen, die für mich persönlich sehr hilfreich waren. Beispielsweise eine Privilegien-Checkliste, mit der ich mir bewusst machen konnte, in wie vielen Bereichen ich priviligiert bin, einfach weil ich weiß, cis und in Deutschland geboren bin. Auch die ausführliche Auseinandersetzung mit typischen rassistischen Äußerungen und der Erklärung, was sie problematisch macht, war sehr erleuchtend. Es ist ein sehr guter Rundumschlag zum Thema Antirassismus, gut verständlich geschrieben und durch viele Beispiele sehr anschaulich. Zu guter Letzt gibt es hinten im Buch eine ganze Literaturliste mit Empfehlungen zu weiteren antirassistischen Büchern, Spielen und anderen Medien.
Harriet Tubman – Fluchthelferin der Underground Railroad
Harriet Tubman war eine unglaublich mutige Frau. Ihr gelang die Flucht aus der Sklaverei von den Südstaaten in den Norden der USA, wo Schwarze frei leben konnten. Doch statt ihr Leben in Freiheit zu genießen, schloss sie sich dem Netzwerk der „Underground Railroad“ an. Das waren Menschen, die geflohenen Sklav:innen halfen, in für sie sichere Staaten zu kommen. Es handelte sich dabei nicht wörtlich um eine Zugstrecke, auch wenn die Mitglieder als Codenamen Titel wie „Schaffner“ verwendeten. Der Name kommt daher, weil es den Sklavenhaltern, so vorkam, als würden die geflohenen Sklav:innen wie vom Erdboden verschluckt, da die Underground Railroad ihnen half, sich zu verstecken.
Bevor ich dieses Buch gelesen habe, hatte ich zwar den Namen Harriet Tubman schon mal gehört, aber ich hatte keine Ahnung, was für eine bemerkenswerte Frau sie war. Und ich war eigentlich jemand, der im Geschichtsunterricht immer gut aufgepasst hat. Ihre Geschichte und die der Underground Railroad sind beeindruckende Zeugnisse vom Kampf gegen Sklaverei und Rasssismus und ich finde, mehr Menschen sollten sie kennen.
Me and white supremacy
Dieses Buch ist eher für Menschen, die auf ihrem Weg zum Antirassismus schon etwas weiter sind. Es ist stellenweise herausfordernd zu lesen, denn wie der Titel sagt, beschäftigt es sich nicht mit systemischem Rassismus, sondern mit dem eigenen. Es geht nicht darum, Systeme und Organisationen zu verändern, sondern klein anzufangen, bei sich selbst. Und das kann, ja es muss fast unangenehm werden. Denn wir alle leben in einer Welt, die von Rassismus durchdrungen ist. Da ist es klar, dass auch wir bestimmte Denkmuster, rassistische Vorurteile oder Verhaltensmuster haben. Vor der Lektüre dieses Buchs sollte man sich von der Überzeugung verabschieden, dass man nie etwas falsch gemacht hat oder machen würde, weil man es ja „nicht so meint“. Rassismus verletzt Menschen, egal ob absichtlich oder aus Unwissenheit.Aber das Wunderbare ist, dass wir an uns arbeiten und uns weiterentwickeln können und genau da setzt dieses Buch an. Die Kapitel behandeln verschiedene Themen und enden stets mit Fragen, die man für sich selbst beantworten soll. Ja, das ist manchmal anstrengend und unangenehm und für mich war es kein Buch, das ich in einem Rutsch durchlesen konnte. Aber ich habe einiges daraus gelernt und würde empfehlen, einfach offen heranzugehen und die Fragen und Hinweise nicht als Angriff zu sehen, sondern als Chance, sich zu bessern und ein:e Verbündete:r im Kampf gegen Rassismus zu werden.
Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Sondern um den Willen, dazuzulernen und an sich zu arbeiten.
Jetzt bin ich gespannt: Welche Bücher könnt ihr empfehlen?