Unsere Azubine Marlene hat letzten Winter ein Auslandspraktikum in Schweden gemacht und viele spannende Eindrücke gewonnen, an denen sie euch hier teilhaben lässt. Sie war für drei Wochen in Umeå, im Norden von Schweden (gesprochen: „Ümeo“) und da sie so viel erlebt hat, haben wir ihren Bericht in drei Teile aufgeteilt, für jede Woche einen. Hier kommt ihr zu Teil 1.
Montag: Schweden inspiriert
Heute erfuhr ich, dass es früher einen Massageraum für das Personal gab, außerdem gibt es immer noch einen Raum mit Betten, in denen man schlafen kann und jeder bekommt ein Arbeitshandy gestellt. Nicht schlecht.
Dann erzählte mir Frau Liliquest von einem Regierungs-Bibliotheksprogramm, das die bereits bestehenden Aktivitäten von Bibliotheken stärken soll. Zum Beispiel indem man Jugendliche befragt, welche Veranstaltungen sie gerne hätten oder Kollaborationen mit neuen Partner:innen eingeht.
Ich half ein wenig an der Info in der Kinderbücherei, wo es im Gegensatz zu letzter Woche ruhig war, da die Ferien nun um waren. Nach meiner Pause nahm ich am Programm für digitale Hilfe teil. Das sind zwei Stunden, in denen jede*r mit technischen Fragen und Problemen kommen kann und individuell Hilfe bekommt. Es waren eigentlich nur Rentner*innen da und leider konnte niemand wirklich Englisch, sodass ich nicht mithelfen konnte, aber ich versuchte mein Bestes, dem Schwedischen zu folgen. Immerhin war eine Frau dabei, die ich aus dem Sprachcafé kannte und es war wirklich nett, mich kurz mit ihr zu unterhalten und zu versuchen, zu helfen.
Dienstag: Väven – eine richtige Kultur-Welle
Meine erste Schicht heute war im 2. OG, wo ich mithalf, die Vorbestellungen rauszusuchen. Solange man nicht im 3. OG arbeitet, ist der weitere Vorgang sehr einfach: Buch in Rückgabe werfen (jede Etage hat einen Rückgabeautomat) und die Kolleg:innen vom 3. Stock kümmern sich darum, dass das Buch ins Vorbestellungsregal kommt. Denn die Rückgabe hat einen Aufzug und sortiert die Bücher direkt korrekt auf die Etagen.
Nach meiner Pause lernte ich, dass das Haus ebenfalls einen ganzen Theatersaal, inklusive Umkleideräume, Küche und Aufenthaltsraum für Schauspieler:innen hat. Frau Bozaghian (die mir alles zeigte und erklärte) arbeitet nicht direkt für die Bibliothek, sondern hat nur ihr Büro in den Räumlichkeiten von Väven. Sie organisiert Kulturbesuche von Schulen, um Theatergruppen oder ähnliches anzuschauen. Diese müssen nicht immer in Väven, sondern können auch in anderen Kulturhäusern in Umeå stattfinden. Dann bucht sie dort die Räumlichkeiten, bucht eine Theatergruppe für Aufführungen, schickt Schulen das Programm, sammelt Anmeldungen und organisiert ebenfalls wie die Klasse dort hinkommt (z. B. via Bus).
Schließlich erzählte meine Bürokollegin mir, was es mit dem Bücher-bring-Service auf sich hat. Die Bibliothek bietet nämlich die Möglichkeit, älteren Personen oder Personen, die aus körperlichen Gründen das Haus nicht verlassen können, Bücher zu liefern. Bestellungen erfolgen in jeglicher Form (MMS, Mail, Telefonat) und werden dann alle fünf Wochen ausgefahren/ alte Bücher wieder eingesammelt.
Als Letztes auf meinem Tagesprogramm stand wie vorherige Woche das Sprachcafé, bei dem heute zwei Damen einer Gesundheitshotline einen Vortrag hielten.
Mittwoch: Endlich im Bücherbus!
Da ich erst um 13 Uhr in der Teilbibliothek auftauchen sollte, nahm ich mir Zeit, um gemütlich über Umwege dorthin zu laufen. Es fing zu schneien an und es war wirklich schön mit klarer kalter Luft. Wie sich rausstellte, war heute aber nicht die Teilbibliothek Thema, sondern viel mehr, was darunter liegt: Drei große Lagerräume voller Bücherboxen. Um genau zu sein 1600 Stück, die nach Alter, Thema, und Sprache sortiert und erhältlich sind. Lehrkräfte aus ganz Umeå können das Angebot gratis nutzen und wenn bei der Rückgabe ein Buch fehlt, wird das einfach nachgekauft. Selbst wenn die ganze Box nie zurückkommt (sehr selten) hat das keine Konsequenzen, denn die Hauptsache ist, dass die Kinder zum Lesen animiert werden.
Ich lief zurück zu Väven und dann kam das, worauf ich mich schon seit Montag gefreut habe: der Bücherbus! Herr Johansson war eine unterhaltsame Gesellschaft für die 4 Stunden Tour, die heute Abend anstand. Der Bus fährt jeden Tag andere Routen, bis er nach 5 Wochen wieder von vorne beginnt. Dabei werden vormittags Schulen und auf der Abendtour kleine Ortschaften angefahren. Wir hatten drei Stopps und kurz vor jedem Halt wurde die Schweden-weite extra für Bücherbusse komponierte Melodie gespielt (kein Scherz), sodass die Leute wie bei einem Eistruck wissen, „Ahhhhh der Bücherbus kommt!“. Der Bus ist ziemlich groß und ich fand es beeindruckend, wie sicher und zügig Herr Johansson trotz des heftigen Schneefalls fährt (Voraussetzung ist aber auch ein Busführerschein/ LKW Führerschein). Um 20 Uhr parkten wir wieder in der Garage von Väven und es war Feierabend für heute.
Donnerstag: Einfache Sprache für alle
Wie wir bietet die Bibliothek einiges an Lesungen an. Außerdem gibt es immer wieder Diskussionsrunden, Lesungen in anderen Sprachen oder sogar ganze Aktionswochen. Erst letztens gab es eine Woche lang viele Angebote zu Umeås 400. Geburtstag. Frau Gustasson erzählte mir, sie hätte gerne mehr die Möglichkeit, nebenbei zu streamen, um mehr Menschen Zugriff zu ermöglichen, aber weil das technische Equipment und der Herr Zumbrägel (unser Medienpädagoge) dafür fehlen, ist das eher schwierig.
Nach meiner Pause hatte ich eine Verabredung mit Frau Morin, die mir einiges zu „einfacher Sprache“ erzählte. In Schweden gibt es nicht nur Bücher in einfacher Sprache, es gibt einfache Sprache mit Bildern, einfache Sprache für Menschen mit Einschränkungen, einfache Sprache für Menschen, die noch gar kein Schwedisch können und „normale“ einfache Sprache. Frau Morin arbeitet mit all diesen Büchern und hält Lesungen vor Sprachklassen, indem sie die Bücher laut vorliest und die Klasse per Powerpoint folgen kann. Danach wird über Inhalt, Cover, schwierige Wörter und alles andere geredet.
Die letzten zwei Stunden des heutigen Abends half ich an einer der Infos einstellen und Reservierungen raussuchen, das gab mir direkt wieder ein Gefühl von Heimat. Außerdem musste ich zum circa 120sten mal, seit ich hier bin, das deutsche Modell einer Ausbildung erklären musste und dass ich nicht exakt eine Bibliothekarin werde. In Schweden studiert man entweder einen Beruf, oder es gibt eine Art Einlernphase (z. B. für Handwerksberufe).
Freitag: Fika
Da eine Kollegin krank war, hatte ich einen recht langsamen Morgen. Ich setzte mich noch einmal mit in die Kindervorlesestunde, denn das war für mich zum Schwedisch lernen definitiv eine gute Sache. Und weil ich viel Zeit hatte, beschloß ich zu der Zweigstelle, bei der ich bis abends eingeteilt war, zu laufen. Eine sehr gute Entscheidung, ich konnte fast die kompletten 50 Minuten Fußweg am Wasser langlaufen und die Aussicht war einfach traumhaft. Die drei Kolleg:innen, die mich dort begrüßten, waren eine sehr lustige Truppe und wir machten erst einmal Fika zusammen. „Fika“ ist sowas wie eine Kaffeepause, kann aber eigentlich auch alles andere sein, z.B. normale Essenspause, Frühstück, nur Café oder Vesper (Sorry Bayern: Brotzeit) Eigentlich alles mit Pause und einer Form von Essen oder Trinken kann als Fika bezeichnet werden. Außerdem kann das ganze zu jeder Tages- und Nachtzeit abgehalten werden.
Die Bibliothek ist ebenfalls in einer Schule, aber wirklich hell und modern. Der Stadtteil hat sehr gemischte Bewohner*innen, daher ist die Bibliothek sehr frei in der Anschaffung des Bestandes. Außerdem gibt es dort auch immer wieder Lesungen und Kinderaktivitäten und sie hat eigene Ausleih- und Rückgabeautomaten. Auf meinem Fußmarsch ins Wochenende traf ich Bekannte aus dem Sprachcafé, die gerade von einer Fika kamen.
Hier geht es zu Teil 3.
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