Die langjährige Leiterin der Stadtbücherei Würzburg ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Hildegard Poschet war ihrer Stadtbücherei im Herzen und Tun ihr ganzes Leben lang verbunden.
Schon als Kind lieh sie Bücher aus und half als „Bücherkind“ beim Rücksortieren. 1950 absolvierte sie ein Praktikum und wurde ermutigt, den Beruf zu studieren. Als frisch gebackene Diplom-Bibliothekarin begann Hildegard Poschet 1953 ihre berufliche Laufbahn in der Stadtbücherei, übernahm 1963 die stellvertretende Leitung und 1974 schließlich die Leitung des Hauses. Bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand 1993 leitete sie die Stadtbücherei und machte sie zu einer einzigartigen Institution des Lesens für die Stadt und die Region.
Längst im Ruhestand bot sie noch viele Jahre lang Vorlesestunden für Kinder und Senior*innen an, begleitete Grundschulkinder als Lesepatin, und brachte im Rahmen des Mobilen Bücherdienstes bis ganz zuletzt jede Woche Bücher zu den Menschen nach Hause, die nicht mehr selbst ins Falkenhaus kommen können. Das Engagement als Lesepatin wurde mit dem Preis der Main-Post Aktion „Zeichen setzen“ ausgezeichnet, der Mobile Bücherdienst erhielt den Bürgersozialpreis der Stadt Würzburg.
„Wir sind geschockt und traurig, sie wird uns sehr fehlen“ sagt Anja Flicker, Leiterin der Stadtbücherei.
Allen Kolleginnen und Kollegen war die ehemalige Leiterin immer gegenwärtig. Sie war häu-fige, treue Besucherin des Hauses. Fast jeden Tag lenkte sie ihre Schritte in die Bibliothek, recherchierte für „Das Musikrätsel“ von BR Klassik, wählte Medien für den Mobilen Bücher-dienst aus oder verfolgte von ihrem Stammplatz in der ersten Reihe aus eine Lesung. „Außerdem war sie für uns wie ein „lebendes Geschichtsbuch“: Unermüdlich erzählte sie von früher, um die Erinnerung an unsere Wurzeln stets wach zu halten – so empfanden wir das“ drückt Anja Flicker die Gefühle des Bücherei-Teams aus.
Hildegard Poschet war selbst eine Person der Stadtgeschichte: Wie viele Würzburgerinnen und Würzburger hat sie auf ihrem Weg in und durch die Welt der Bücher und des Lernens begleitet, wie vielen den Spaß am Lesen vermittelt? Unzählige werden sich an sie und an Situationen in der Stadtbücherei erinnern – auch daran, dass Frau Poschet durchaus streng sein konnte, wenn’s ums Lesen Lernen, das Benehmen in der Bücherei und den Umgang mit den Büchern ging.
Besonders beeindruckend war die Wertschätzung, die Hildegard Poschet der Stadtbücherei und dem Team stets zeigte. Auch im Ende 2014 gegründeten Förderverein der Bibliothek war sie als Gründungsmitglied und Beirätin engagiert. Hildegard Poschet lag es am Herzen, die Zukunft ihrer Stadtbücherei weiterhin mitzugestalten – zu einer Institution, die Kultur- und Bildungseinrichtung ist und sich gleichzeitig öffnet als Lernraum, Ort der Kommunikation und der Teilhabe für alle Bürgerinnen und Bürger der Stadtgesellschaft.
Auch deshalb ließ sie es sich nicht nehmen dabei zu sein, als drei der vier von ihr eingerich-teten Stadtteilbüchereien vor kurzem jeweils ihr 30- bzw. 40-jähriges Jubiläum feierten. „Für uns“, so Anja Flicker, „eine schöne Gelegenheit Dank dafür auszudrücken, dass wir erfolgreich weiterführen können, was Hilde Poschet vor Jahrzehnten begonnen hat.“
Hilde Poschets Tod wird an vielen Stellen eine Lücke reißen, denn sie war vielfach ehren-amtlich engagiert: Als Gründungsmitglied war sie bis zuletzt aktiv im Club Würzburg der Service-Vereinigung Soroptimist International. Sie war im Vorstand der Leonhard-Frank-Gesellschaft tätig, bei Terre des Hommes, als Dozentin „für Ältere“ in der Volkshochschule aktiv sowie Mitglied im Freundeskreis des Museums am Dom, mit dem Sie wie jedes Jahr auch dieses Frühjahr noch auf Bildungsreise ging.
Das Büchereiteam will die Lücke, die sie hinterlässt, gar nicht schließen, denn so bleibt zu-mindest ein imaginärer Raum für ihren wachen Geist, ihr gutes Herz und ihre schöne Seele.
Vor einigen Wochen feierte Hildegard Poschet an ihrer alten Wirkungsstätte im Falkenhaus mit den ehemaligen Kolleginnen und Kollegen ihren 90. Geburtstag. Gedeckt war im sommerlichen Innenhof, Geschichten wurden erzählt und Erinnerungen ausgetauscht, denn es gibt noch einige Kolleginnen und Kollegen, die Hildegard Poschet vor vielen Jahren selbst eingestellt hat. Aber auch junge Mitarbeiterinnen feierten mit, denn „Frau Poschet“ gehörte einfach dazu – über alle Generationen hinweg.
Hilde Poschet war bis zu ihrem letzten Atemzug offen und neugierig – auf Menschen, für Ballett, Theater, Oper, die Kultur und das Leben im Allgemeinen. Charlotte Breyer zitiert sie in ihrem Buch „Würzburg im Herzen“ mit folgendem Motto für das Älterwerden: „Ich tue nur das, was mir auch Spaß macht, ich halte mich fit im Kopf, bin viel unter Menschen und viel auf den Beinen.“ So kannten wir sie und so behalten wir sie in Erinnerung.
Biographisches:
Geboren am 5.6.1928 in Würzburg
Besuch der Volksschule bis 1945
am 16. März 1945 ausgebombt, daher Umzug „aufs Land“ in die Nähe von Dettelbach
ab Herbst 1946 Besuch der Oberrealschule (heute „Röntgen-Gymnasium“)
1949 Abitur
1949–1952 Studium in Stuttgart mit Praktikum in der Stadtbücherei Würzburg (1950) und Abschluss Diplom-Bibliothekarin (1952)
ab Januar 1953 Bibliothekarin in der Stadtbücherei Würzburg
ab 1963 stellvertretende Leiterin
ab 1974 Leiterin der Stadtbücherei
1993 Eintritt in den Ruhestand.
Verstorben am 27.7.2018