Unsere Azubine Marlene hat letzten Winter ein Auslandspraktikum in Schweden gemacht und viele spannende Eindrücke gewonnen, an denen sie euch hier teilhaben lässt. Sie war für drei Wochen in Umeå, im Norden von Schweden (gesprochen: „Ümeo“) und da sie so viel erlebt hat, haben wir ihren Bericht in drei Teile aufgeteilt, für jede Woche einen. Hier kommt ihr zu Teil 1 und Teil 2.
Montag: das schwedische Bibliothekssystem
Heute gab es in der ersten Stunde Buchtipps für eine Klasse, die aus einer nahegelegenen Schule hergekommen war. Die Kinder wurden sehr aktiv mit eingebunden, wer welches Buch schon gelesen hat und am Ende wurde ordentlich ausgeliehen.
Nachdem ich ein wenig beim Einstellen geholfen habe, wurde mir der schwedenweite Katalog von und für Bibliotheken gezeigt. Da die meisten Bücher nicht noch katalogisiert werden müssen, gibt es in der Bibliothek nur zwei Personen, die das übernehmen (in der Stabü macht das jede:r selber). Verrückt fand ich auch, dass der Buchhändler, bei dem die meisten Medien bestellt werden, auf Wunsch gleich die RFID-Tags einklebt, die Traumsignatur draufpackt und einbindet. Was für ein Service!
Schweden hat zusätzlich noch eine landesweite Leihzentrale, die von jedem in Schweden veröffentlichten oder in Schwedisch veröffentlichten Buch ein Exemplar hat (hallo Deutsche Nationalbibliothek) und diese Bücher aber auch großzügig an alle Bibliotheken ausleiht.
Da mein Praktikumswunsch bei einem Buchbinder leider nie geklappt hatte, habe ich mich schon sehr auf die hauseigene Reparaturwerkstatt gefreut. Dort stehen alle möglichen Gerätschaften, viel Material und viele Bücher, die ein wenig Liebe brauchen. Herr Lindström erklärte mir die Funktion der Gerätschaften und zeigte mir stolz alle Materialien, die aus Deutschland kommen.
Dienstag: Wintereinbruch
Ich wollte vor der Arbeit Glas wegbringen, aber die Klappe ließ sich nicht öffnen, WEIL SIE EINGEFROREN WAR. Hallo Winter. Meine erste Stunde war mal wieder an einer der Infos, außerdem half ich beim Einstellen und Auslegen der neuen Zeitschriften. Ein Kollege zeigte mir die Fantasy-Abteilung und ich erfahre, dass Fantasy hier noch mehr unterteilt ist als bei uns: Fantasy, Urban Fantasy, Dystopie, Horror und Science Fiction.
Die letzten Abendstunden war ich beim Strickcafé dabei. Das letzte Mal, dass ich was anderes außer Nähen gemacht habe, ist sicher 7 Jahre her. Ich lernte aber ein paar nette Mädels kennen, die mir Häkeln beibrachten. Oder es zumindest versuchten. Auch wenn das Ergebnis nicht meiner Vorstellung entsprach, war ich recht stolz. Es sollte ein Trassenuntersetzer werden, fällt aber wohl eher unter die Kategorie „Deko die mein Kind gebastelt hat“.
Mittwoch: Das Hubland lässt grüßen
Auf meinem Weg zur größten Zweigstelle von Umeå musste ich aufpassen, nicht auszurutschen. Mein Gesicht fror etwas ein, aber das war okay, weil der Weg einfach so schön war, dass ich trotzdem oft stehenblieb. Ich wurde von zwei sehr lieben Bibliothekarinnen begrüßt und wir machten nach der Grundführung natürlich gleich zusammen Fika. Ich durfte mich dann zu dem Buchclub für Kinder gesellen. Er bestand aus fünf 10-jährigen Mädchen, die mir zuliebe alle Englisch reden. Jede erzählte, welches Buch sie gerade liest und danach galt es, Rätselfragen zu lösen. „Du bist in einer Höhle mit nur zwei Ausgängen gefangen. Einer führt zu einem Drachen, der alles, was er sieht, verbrennt. Der andere zu einem, der voller Lupen ist, durch die die Sonne alles verbrennt. Wie entkommst du?“.
Da heute Tag der offenen Tür war, gab es außerdem zahlreiche Aktionen vorzubereiten. Unter anderem VR-Headsets, für die ich mich natürlich gerne als Testperson zur Verfügung stellte. Und diese Zweigstelle war tatsächlich die einzige Bibliothek im Umeå-System, die eine Open Library hat und natürlich zeigte ich den Kolleg:innen gleich das Hubland (alle waren begeistert).
Ich laufe zurück zu Väven, wo Frau Sandgren mir ein wenig über Stammbaumforschung erzählte und mir zeigte, wie sie ihre Großeltern gefunden hat. Hier in Schweden ist es um einiges einfacher, seinen Ahn:innen nachzugehen und Väven hat sogar einen eigenen Raum, der nur für Personen ist, die Stammbaumforschung betreiben wollen.
Donnerstag: Basteln in der Reperaturwerkstatt
Puhh ich war es gar nicht mehr gewohnt, um 7 Uhr aufzustehen, das musste heute aber sein, da die Kinderbibliothekarinnen (reine Frauenpower) sich trafen, um über Neuanschaffungen zu sprechen. Einmal im Monat findet diese Sitzung statt, bei der es eine Liste mit Bilder- und Sachbüchern gibt, die auf alle Kolleginnen aufgeteilt werden. Jede stellt dann ihre gelesenen vor und gibt ihre Meinung dazu ab, sodass alle für die Haupt- und Zweigstellen entscheiden können, ob noch mehr Exemplare bestellt werden sollten. Außerdem ist das natürlich gut, um Leser*innen Tipps geben zu können.
Zurück in der Reparaturwerkstatt machte ich zusammen mit Herrn Lindström mein ganz eigenes Notizbuch. Und weil er mehr Arbeit machte als ich, sah es am Ende auch wirklich gut aus. Er erklärte mir alles Schritt für Schritt und am Ende brauchten wir (inklusive Fika) eineinhalb Stunden.
Der Personalraum hier hatte übrigens Puzzles und Kreuzworträtsel, die die Kolleg*innen zusammen während der Fika machen können. Bei Kreuzworträtseln, bei denen es etwas zu gewinnen gibt, schreiben alle Mitmachenden ihre Namen dazu, sodass Gewinne nach Einsendung gerecht aufgeteilt werden können.
Freitag: Abschied
Mit ein wenig Pipi in den Augen fing ich meinen letzten Tag an. Ich hörte noch einmal Frau Petterson zu, während sie einer 4. Klasse Buchtipps gab, dann galt es, alles für den „Knock Knock Tag“ vorzubereiten. Heute war nämlich ein Bilderbuch einer schwedischen Autorin 30 Jahre alt geworden und daher gab es den Tag über in der Kinderbibliothek Bastelaktionen, Vorlesungen des Buches in verschiedenen Sprachen und es standen große Monitore herum, über die man sich das Buch in allen möglichen Sprachen vorlesen lassen konnte. In dem Buch geht es darum, dass man an verschiedene Türen klopft und schaut, was sich dahinter verbirgt. Erinnert sich jemand an den Anfang meines Praktikums, als ich aufgenommen wurde, während ich ein Buch auf Deutsch vorgelesen hatte? Ich war den ganzen Tag digital zu sehen, aber auch live las ich es noch einmal auf Deutsch vor. Nach meiner Mittagspause stand eigentlich nur noch das Abschiedsgespräch mit Frau Grenholm an. Wir saßen im Personalraum und es kamen alle Kolleg:innen dazu, die gerade Zeit hatten. Wir machten Fika mit Gebäck und quatschten über alles Mögliche. Ich merkte schon den Kloß in meinem Hals. Alle verabschiedeten mich sehr lieb und ich musste wirklich oft versichern, dass ich wiederkomme. Dann aber, wenn es wärmer ist.